Der Termin in Idar-Oberstein unterschied sich in mehrfacher Hinsicht vom üblichen Ablauf der seit April laufenden Besuchstour. Während es Kowalski bei vielen Stationen darum ging, die Orte und die dort handelnden Akteure besser kennenzulernen, ist ihm die Schmuckstadt längst vertraut. Zahlreiche Termine, Veranstaltungen und Firmenbesuche in Idar-Oberstein prägten seine bisherige Amtszeit. Auch kommunalpolitisch besteht ein enger Austausch – zuletzt vor allem mit Blick auf die Zukunft des Klinikums Idar-Oberstein mit seinen rund 500 Planbetten und den derzeit ruhenden Bauarbeiten am Erweiterungsneubau.
Aufgrund der Größe der Stadt mit ihren insgesamt 13 Stadtteilen (Algenrodt, Enzweiler, Georg-Weierbach, Göttschied, Hammerstein, Idar, Kirchenbollenbach, Mittelbollenbach, Nahbollenbach, Oberstein, Regulshausen, Tiefenstein und Weierbach) und einer Fläche von circa 92 Quadratkilometern verzichtete man diesmal – im Unterschied zu den Stippvisiten in den kleineren Orten – auf einen Rundgang oder eine Rundfahrt. Das Gespräch fand stattdessen im Büro von OB Frühauf in der Stadtverwaltung statt.
Idar-Oberstein ist seit über 500 Jahren weltweit bekannt für Schmuck- und Edelsteinverarbeitung. Noch heute prägt die Branche das Wirtschaftsleben, wobei der Standort insgesamt breit aufgestellt ist: Aktuell sind fast 2450 Gewerbebetriebe in Idar-Oberstein gemeldet – darunter der traditionsreiche Kochgeschirrhersteller Fissler und die BioNTech-Niederlassung in der Vollmersbachstraße.
„Wenn die wirtschaftliche Entwicklung im Land schwierig ist, trifft es auch uns“, stellte OB Frühauf im Gespräch mit dem Landrat klar. Die Stadt rechnet im nächsten Haushaltsjahr mit sinkenden Gewerbesteuereinnahmen. Zudem gefährden zwei Unternehmensinsolvenzen eine Vielzahl von Arbeitsplätzen.
Gleichzeitig gibt es positive Perspektiven: Die auf die Verarbeitung von Kunststoffen spezialisierte Polymer-Gruppe plant ab 2026 den Bau eines neuen Standorts im Industriegebiet Weierbach auf einer 17 Hektar großen Fläche.
Hoffnung setzt die Stadtspitze auch in die jüngste Entscheidung der Bundeswehr, die zivile Nutzung leerstehender Kasernen zu stoppen. Dadurch könnten Soldaten in die seit Jahren verwaiste Straßburgkaserne in Algenrodt zurückkehren. Dies würde die Bedeutung Idar-Obersteins als Militärstandort nochmals erhöhen – aktuell bestehen an der Rilchenberg- und der Klotzbergkaserne rund 2000 Dienstposten.
Mit dem Stadttheater in Oberstein und der Messehalle in Nahbollenbach verfügt die Stadt über wichtige Veranstaltungsorte, die Besucher aus dem gesamten Umkreis anziehen. Publikumsmagneten wie die Jazztage in Idar sowie der Edelsteinschleifer- und Goldschmiedemarkt in Oberstein prägen das kulturelle Leben. Auch touristisch hat Idar-Oberstein unter anderem mit der Felsenkirche als bekannteste Sehenswürdigkeit und dem Deutschen Edelsteinmuseum, dem Deutschen Mineralienmuseum sowie dem Industriedenkmal Jakob Bengel mehrere Anziehungspunkte.
Ein bedeutender Impuls steht mit der Modernisierung der Jugendherberge in Oberstein bevor: Das 6,5-Millionen-Euro-Projekt des Deutschen Jugendherbergswerk (DJH), an dem sich Stadt und Kreis mit jeweils 1,5 Millionen Euro beteiligen, soll ab Mai 2026 erste Buchungen ermöglichen.
Die Stadt trägt mehrere Bildungseinrichtungen, darunter sechs Grundschulen, die Realschule plus in der Rostocker Straße sowie sechs Kindertagesstätten und die Spiel- und Lernstube. Dazu kommen acht Kitas unter der Regie von freien Trägern. Der Kreis wiederum ist Träger von drei Förderschulen, zwei Gymnasien, der Ida-Purper-Realschule und der Berufsbildenden Schule mit Sitz in Idar-Oberstein.
Im Gespräch mit dem Landrat gingen Frühauf und Marx darauf ein, dass die Stadt in Kooperation mit der katholischen KiTa gGmbH die Einrichtung einer weiteren Kindertagesstätte im ehemaligen C&A-Gebäude in der Obersteiner Fußgängerzone plant. Dies ist dem steigenden Bedarf an Betreuungsplätzen geschuldet.
Hintergrund ist das deutliche Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahre, insbesondere durch Zuzug von Familien und Migranten. OB Frühauf zeigte Verständnis dafür, dass der Kreis günstigen Wohnraum für die Unterbringung Hilfsbedürftiger nutzt, bat aber zugleich um Rücksicht darauf, dass Idar-Oberstein bereits einen hohen Anteil an Asylsuchenden aufgenommen hat.
Landrat Kowalski nahm den Hinweis auf. „Integration gelingt aus meiner Sicht in kleineren Dörfern oft leichter“, sagte er, verwies aber gleichzeitig darauf, dass viele Zugezogene die Infrastruktur größerer Städte bevorzugen.
Beim Dreiertreffen ging es zudem um die neue, vom rheinland-pfälzischen Familienministerium eröffnete Möglichkeit, dass große kreisangehörige Städte wie Idar-Oberstein ihre örtliche Jugendamtszuständigkeit an den Landkreis abgeben können. Auch die Höhe der Kreisumlage und die Hebesätze der Grundsteuer B wurden erörtert.
Bürgermeister Marx sprach die anstehende Sanierung der Kreisstraße 37 zwischen dem Kreisel in der Vollmersbachstraße und Göttschied an. Zwar begrüßte er es, dass die sogenannte Flugplatzstraße nun zügig auf Vordermann gebracht werden soll, er äußerte aber zugleich sein Bedauern, dass der geplante Bau eines parallelen Radwegs vorerst zurückgestellt wurde.
Nach rund eineinhalb Stunden endete der konstruktive Austausch in angenehmer Gesprächsatmosphäre. Landrat Kowalski würdigte die besondere Bedeutung der Stadt Idar-Oberstein für den Kreis, die nicht zuletzt mit den für das ganze Umland zuständigen Einrichtungen und Behörden wie dem Amtsgericht oder dem Finanzamt zusammenhängt.
Zugleich blieb er seiner Linie treu: Denn wie bei allen 95 Stationen zuvor reservierte Kowalski auch für Idar-Oberstein in seinem kleinen schwarzen Notizbuch nur eine Seite für Anmerkungen. So behandelte er die größte Stadt des Kreises mit ihren mehr als 32.000 Einwohnern genauso wie Schwerbach, das kleinste Dorf mit 46 Einwohnern.
